Stellungnahme zum Positionspapier des Beirats Öffentlichkeitsbeteiligung

Am 16.12.2021 hat der Beirat Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt Köln ein Positionspapier zum Thema Bürgerräte für Köln veröffentlicht. 

Auf vier Seiten wird hierin eine kompakte, aber fundierte Übersicht geleistet darüber, was Bürgerräte auszeichnet und worauf bei der Umsetzung insbesondere zu achten sei.

Hervorgehoben werden unter anderen folgende Punkte:

  • eine klare Rollenvereinbarung zwischen Bürgerrat und Politik
  • eine geeignete und präzise Themenstellung
  • Transparenz in allen Verfahrensschritten (Gestaltung des Losverfahrens, Methodik des Bürgerrates, Dokumentation der Entscheidungsfindung)
  • eine Abwägung mit anderen, eventuell besser geeigneten Beteiligungsformen
  • eine möglichst barrierefreie Teilnahme
  • die Wichtigkeit einer kompetenten Moderation, einer wertschätzenden Atmosphäre und einer gezielten Unterstützung der Teilnehmer:innen 
  • die verbindliche und transparente Auseinandersetzung mit den Ergebnissen durch die Politik

Dies deckt sich in sehr wesentlichen Teilen mit bekannten best practices.

Aus Sicht der Initiative Zukunftsrat Köln finden jedoch folgende Punkte keine – oder nicht genügend – Beachtung:

  • Auf Seite 1 werden Bürgerräte zu den “top-down initiierte[n] Verfahren und Beteiligungsformate[n]” gezählt, also zu den Verfahren, die nicht wie etwa Bürgerentscheide aus der Bevölkerung heraus angestoßen werden können. Diese Zuordnung ist nicht zwingend richtig: Bürgerräte können sehr wohl auch von unten” initiiert sein. Ein gutes Beispiel hierfür ist der permanente Bürgerdialog in Ostbelgien, bei dem zwar staatliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, aber – als entscheidender Unterschied – die Festlegung der Themen durch ein unabhängiges, ebenfalls aus Losbürger:innen bestehendes Gremium geschieht. Zudem können dort interessierte Bürger:innen mit mindestens 100 Unterschriften Themenvorschläge einbringen. Auch in Danzig und im österreichischen Bundesland Vorarlberg können Bürgerräte aus der Bevölkerung heraus initiiert werden.
  • Im Positionspapier ist davon die Rede, dass “auch tatsächlich betroffene (thematische und/oder regionale) Zielgruppen Teil der Grundgesamtheit des Losverfahrens sein” müssten. Eine besondere Stärke von Bürgerräten ist allerdings, dass die Teilnehmer:innen gerade nicht vom zu beratenden Thema betroffene Menschen sind, die deshalb unbefangen darüber diskutieren und entscheiden können. Es kann zwar durchaus sinnvoll sein, Betroffenengruppen auch in Bürgerrat-Verfahren z.B. durch Fokusgruppen ein Forum zu geben, diese wären dann aber nicht “Teil der Grundgesamtheit des Losverfahrens”. Sie würden vielmehr gesondert angesprochen und eingeladen. Auch wenn im Papier durchaus erwähnt wird, dass die Perspektiven direkt betroffener Personen durch andere Beteiligungsformen oder durch Einladung als Expert:innen in den Bürgerrat zu Gehör gebracht werden könnten, ist die eingangs zitierte Formulierung zumindest missverständlich. 
  • Am Ende des Papiers wird auf einen Text des Losdemokratie-Experten Linus Strothmann zum aufsuchenden Losverfahren verwiesen. Darin geht es darum, Menschen aus Bevölkerungsgruppen, die sich selten von sich aus für Beteiligungsverfahren interessieren, durch persönliche Ansprache z.B. durch Hausbesuche für die Teilnahme an Bürgerräten zu gewinnen. Dieses Konzept findet jedoch im Positionspapier des Beirates Öffentlichkeitsbeteiligung selbst keine Erwähnung. In der bisherigen Erfahrung mit Bürgerräten in Deutschland ist im Losverfahren von einem sehr niedrigen Rücklauf zwischen fünf und zehn Prozent der ausgelosten Personen auszugehen. Um einer Verzerrung der angestrebten Repräsentativität vorzubeugen, bietet das aufsuchende Losverfahren eine bewährte und transparente Möglichkeit der Korrektur.
  • Das Papier enthält den wichtigen Hinweis, dass “Klarheit und Transparenz über den Umgang mit den Ergebnissen immanenter Bestandteil des Bürgerrates sein” müssen. Allerdings fehlt an dieser Stelle ein Vorschlag, wie diese Transparenz den Bürger:innen auch im Nachgang garantiert werden könnte. So könnten Vertreter:innen von Bürgerräten etwa in den zuständigen Ausschüssen des Stadtrates ein Rederecht erhalten. Wichtig wäre zudem eine verbindliche Zusage seitens der Politik, zu einem geeigneten späteren Zeitpunkt (etwa nach 12 Monaten) öffentlich zu machen, welche Empfehlungen des Bürgerrats schließlich nicht umgesetzt wurden, unter Angabe von nachvollziehbaren Gründen.

Die Initiative Zukunftsrat Köln begrüßt das Engagement des Beirats ausdrücklich und freut sich auf eine konstruktive Zusammenarbeit im kommenden Jahr.