Jugendparlament: Losverfahren statt Wahlen?

Am 5. Mai 2022 hat der Rat der Stadt Köln beschlossen, dass ein „gemeinsames Konzept und Verständnis für den Bereich der Partizipation in der Stadt Köln“ erarbeitet werden soll, „welches Jugendpartizipation als festen Bestandteil der Kölner Kommunalpolitik verankert und verstetigt“.

Ursprünglich hatte die FDP-Fraktion die Gründung eines Jugendparlaments beantragt. Mit dem oben zitierten Änderungsantrag im Namen fast aller Fraktionen (FDP inklusive) wird nun eine ganzheitliche Herangehensweise angestrebt; die Einrichtung eines Jugendparlaments ist dabei jedoch offenbar weiterhin ein zentrales Ziel.

Die Initiative Zukunftsrat Köln begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich.

Inklusiver Anspruch

Eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung braucht Klarheit, Transparenz und ganzheitliche Planung. Eine gemeinsame Konzeption quer über das politische Spektrum hinweg kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Insbesondere erfreulich ist der explizite Hinweis darauf, „dass gerade Kinder und Jugendliche, die bisher keine oder wenig Erfahrung haben, ihre Interessen einzubringen oder hieran gehindert werden (z.B. durch Sprach- oder auch soziale Barrieren oder auch Behinderungen), sich gleichermaßen beteiligen können“ sollen. Ein solch inklusiver Anspruch ist elementar wichtig für eine glaubwürdige und nachhaltige Beteiligung in unserer Stadtgesellschaft.

In diesem Zusammenhang ist eine „ergebnisoffene Diskussion“, wie sie für den nun geplanten Fachtag im zweiten Halbjahr 2022 angekündigt ist, äußerst wünschenswert. Denn in Sachen Beteiligungsmethoden hat es in den letzten Jahren eine Reihe bemerkenswerter Innovationen gegeben, die bei der Weiterentwicklung des städtischen Beteiligungskonzeptes in Betracht gezogen werden sollten.

Beteiligung und Repräsentation

Der Begriff „Jugendparlament“, wie er im Antrag der FDP verwendet und im öffentlichen Diskurs allgemein verstanden wird, bezieht sich auf eine Versammlung, in der gewählte Vertreter:innen die Interessen ihrer Wähler:innen vertreten. Dies ist jedoch nicht die einzig denkbare Form der Repräsentation, und heutzutage auch nicht immer die bevorzugte.

Bei allen Vorteilen des Wahlprinzips ist es erwiesen, dass Wahlen strukturell für eine sehr selektive Auswahl von Vertreter:innen sorgen. Dabei kommen regelmäßig diejenigen Personen zu kurz, die, wie oben zitiert, „keine oder wenig Erfahrung haben, ihre Interessen einzubringen oder hieran gehindert werden“. Denn selbst wenn sie den Mut aufbringen, sich zur Wahl zu stellen, werden sie häufig nicht von einer Mehrheit gewählt.

Dieser unausweichlichen Verzerrung bei der Wahl von Vertreter:innen kann durch verschiedene Quoten entgegengewirkt werden. Allerdings belasten Quoten auf Dauer die wahrgenommene Legitimität der so gewählten Vertretung. Anstatt also der Verzerrung mit Gegenverzerrung zu begegnen, ist es eine Überlegung wert, einen ganz anderen Modus der Repräsentation zu verwenden: das demokratische Losverfahren.

Losverfahren und Diversität

Die Jugend Kölns ist heute so divers wie nie zuvor. Ein Jugendparlament, das diese Generation vertreten will, muss Platz haben für diese Diversität. Die sogenannte Interessensaggregation, eine wichtige Funktion in unserer Wahldemokratie, ist in einem Jugendparlament deutlich weniger relevant als im Bundestag; hier sollten vor Allem viele verschiedene Jugendliche die Chance erhalten, ihre Stimme zu erheben.

Hierfür wäre das demokratische Losverfahren geradezu ideal geeignet, und das nicht nur im Auftrag der Diversität. Im Gegensatz zur Wahl stattet das Los die ausgewählte Person nicht mit einem Mandat aus, Andere zu vertreten; damit wären die Jugendlichen frei in der Ausübung ihrer Rolle und könnten sich ganz auf die Bewältigung der inhaltlichen und kommunikativen Herausforderungen konzentrieren.

Methodisch wären verschiedene Ansätze denkbar, etwa bei der Frage, ob Jugendliche sich für den Lostopf anmelden können sollten, oder ob die Auswahl von Anfang an zufallsgesteuert sein sollte. Ebenso würde sich die Frage nach bestimmten Quoten stellen (etwa Geschlecht, Alter, Schultyp, Stadtbezirk). Und auch ohne Wahl ließe sich eine Rückkopplung an den imaginären „Wahlkreis“ herstellen, indem die Jugendlichen in ihren Schulen von ihrer Arbeit berichten.

Pilotprojekt Jugendbeteiligung

Während die Stadt sich mit der gebotenen Gründlichkeit auf eine neue Phase der Beteiligung vorbereitet, ist von zivilgesellschaftlicher Seite bereits ein Projekt in Planung, in dem das demokratische Losverfahren zum Einsatz kommen soll: der Zukunftsrat Schule.

Hierbei sollen 90 Schüler:innen aus allen Stadteilen Kölns ausgelost werden, um im Dialog mit der Stadt Empfehlungen für Verbesserungen an Schulen zu erarbeiten. Als Pilotprojekt könnte der Zukunftsrat Schule Modellwirkung entfalten für zukünftige Beteiligungsvorhaben.