Bürgerentscheide mit Bürgerräten kombinieren
Städte und Gemeinden sollen die Durchführung kommunaler Bürgerentscheide mit zufällig gelosten Bürgerräten begleiten. Der Begleitausschuss des Kongresses der lokalen und regionalen Behörden des Europarates hat am 11. Februar 2021 einen Bericht mit einer entsprechenden Empfehlung angenommen. Ein Appell, den die Stadt Köln aufgreifen und in die Praxis umsetzen könnte.
„Bürgerentscheide sind unerlässlich“
„Lokale Bürgerentscheide sind unerlässlich, um den Willen der Bürger:innen zu konkreten Themen auszuloten, die ihr tägliches Leben direkt betreffen“, heißt es in dem Bericht. Die allgemeinen Regeln müssen an den lokalen Kontext angepasst werden und gleichzeitig die Prinzipien freier und fairer Wahlen respektieren, die auch für Volksabstimmungen gelten. Daher werden wirksame Richtlinien für die Mitgliedsstaaten benötigt, um lokale Bürgerentscheide verantwortungsvoll in Übereinstimmung mit den Standards des Europarates, insbesondere der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, sowie mit internationalen Standards und Best Practices zu nutzen“, erklärte Berichterstatter Vladimir Prebilič aus Slowenien.
Bürgerräte sollen Bürgerentscheide begleiten
Der Berichterstatter wies auch auf das Risiko hin, dass Bürgerentscheide von populistischen Bewegungen missbraucht werden könnten, um mit einfacher Mehrheit und nach einer irreführenden Kampagne höherrangige Gesetze oder Prinzipien zu umgehen, deren Änderung normalerweise eine substanziellere Debatte und einen breiteren Konsens erfordern würde. Er betonte, dass es wichtig ist, dass lokale Bürgerentscheide so durchgeführt werden, dass die Abstimmenden mit den Verfahren vertraut und in der Lage sind, die Abstimmungsfrage und die Folgen ihrer Stimmabgabe zu verstehen. Sie sollen Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen erhalten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Der Bericht fordert die Kommunen auf, mehr Gebrauch von Bürgerräten und ähnlichen Instrumenten der deliberativen Demokratie zu machen, um die Durchführung lokaler Bürgerentscheide zu begleiten und so die informierten Entscheidungen der Bürger zu verbessern.
Vorbild Oregon
Vorbild könnte ein zufällig geloster Bürgerrat im Im US-Bundesstaat Oregon sein. Hier formulierte von 2008 – 2016 eine geloste Bürgerversammlung mit dem Namen „Citizens Initiative Review“ (CIR) Informationen zu Volksabstimmungen, die hier wie in 23 weiteren Bundesstaaten regelmäßig stattfinden. Die CIR verfasste eine Erklärung, in der die wichtigsten Fakten und die Hauptgründe für eine Zustimmung und für eine Ablehnung des jeweiligen Themas aufgeführt sind. Diese Erklärung wurde in das Abstimmungsheft aufgenommen, das zusammen mit weiteren Abstimmungsunterlagen an alle Stimmberechtigen in Oregon verschickt wurde. Das Verfahren wurde aber 2016 eingestellt, weil das Parlament des Bundesstaates nicht bereit war, das bis dahin von der Organisation „Healthy Democracy“ organisierte und aus Stiftungsmitteln finanzierten Verfahren staatlich zu organisieren und zu finanzieren.
Auch in der Schweiz ist man an dieser Kombination von deliberativer und direkter Demokratie interessiert. In der schweizerischen Gemeinde Sitten fand am 9. Februar 2020 anlässlich einer bundesweiten Volksabstimmung über die Volksinitiative „Mehr bezahlbare Wohnungen“ ein erstes Verfahren dazu statt. Weitere Experimente im Rahmen des „Demoscan“ genannten Projekts folgen nach und nach.
Hintergrund: Der Europarat
Der Europarat wurde 1949 gegründet. Ihm gehören heute 47 Staaten mit 820 Millionen Bürger:innen an. Der Europarat ist ein Forum für Debatten über allgemeine europäische Fragen. Seine Satzung sieht eine allgemeine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt vor.
Mehr Informationen: Congress of Local and Regional Authorities: Holding referendums at local level (PDF)